helnwein österreich

Der Wiener – 20. März 2010

Gottfried Helnwein - LORD OF THE DARK

von Verena Eissner-Eissenstein

Dies ist die Geschichte einer ganz besonderen Rückkehr. Und sie nimmt ihren Anfang dort, wo alle guten Geschichten made in Austria beginnen: im Kaffeehaus. Das Café Bräunerhof, in der Wiener Stallburggasse. Hier schlürften schon Hugo von Hoffmannsthal, Alfred Polgar und Thomas Bernhard ihre Melange. Und auch heute noch übt sich in dem abseits vom Touristenstrom gelegenen Kaffeehaus Künstler-Prominenz in Muße. Es ist 10 Uhr vormittags. Ganz hinten im Eck sitzt eine dunkle Gestalt, die so aussieht, als gehöre sie nicht hierher: Ganz in schwarz gekleidet, die kinnlangen Haare mit einem Stirnband gebändigt, die Augen hinter einer getönten Brille, wuchtige Silberringe an fast allen Fingern. Diese Gestalt ist Gottfried Helnwein.

 Der Mann, der Österreich verlassen hat, weil ihm hier einfach alles zu eng geworden, weil er vor lauter Hass und Wut keine Luft mehr bekam. Noch heute sagt er: „Was andere von meiner Arbeit oder von mir halten, ist mir wirklich vollkommen egal. Was ich von mir selbst halte, ist mir nicht egal. Ohne Gegenwind könnte ich gar nicht mehr sein. Ich würde in eine Schockstarre verfallen, wenn mich plötzlich alle umarmen würden.“

Das Cafä Bräunerhof, in der Wiener Staliburggasse. Hier schlürften schon Hugo von Hoffmannsthal, Alfred Polgar und Thomas Bernhard ihre Melange. Und auch heute noch übt sich in dem abseits vom Touristenstrom gelegenen Kaffeehaus KünstlerProminenz in Muße. Es ist 10 Uhr vormittags. Ganz hinten im Eck sitzt eine dunkle Gestalt, die so aussieht, als gehöre sie nicht hierher: Ganz in schwarz gekleidet, die kinnlangen Haare mit einem Stirnband gebändigt, die Augen hinter einer getönten Brille verborgen, wuchtige Silberringe an fast allen Fingern. Diese Gestalt ist Gottfried Helnwein, 61. Der Mann, der Österreich verlassen hat, weil ihm hier einfach alles zu eng geworden, weil er vor lauter Hass und Wut keine Luft mehr bekam. Noch heute sagt er: "Was andere von meiner Arbeit oder von mir halten, ist mir wirklich vollkommen egal. Was ich von mir selbst halte, ist mir nicht egal. Ohne Gegenwind könnte ich gar nicht mehr sein. Ich würde in, eine Schockstarre verfallen, wenn mich plötzlich alle umarmen würden." Knallharte Sätze, die auffällig mit der nahezu sanften Stimme kontrastieren, mit der der einst als "Schockmaler" zu Weltruhm gelangte Helnwein spricht. Und er überrascht im WIENERGespräch mit Bekenntnissen, die eine völlig neue Facette des Künstlers offenbaren. Es scheint, als hätte er seinen Frieden mit der Heimat gemacht. Einer Heimat, die ihm lange verabscheuungswürdig und fremd war.

Geboren als das älteste von vier Kindern, konnte der Rolling StonesFan mit Österreich nichts anfangen, mit seiner Familie auch nicht. "Ich hab' mir schon als Kind gedacht, das ist der falsche Platz, da sollte ich eigentlich gar nicht sein. Die Leute waren mir alle fremd, auch meine Eltern. Das Lebensziel war Bravsein und nicht auffallen. Das hat mir nicht so direkt entsprochen." Vielleicht mit ein Grund, warum der Verächter jeglicher Autoritäten

von mehreren Schulen flog, bevor er schließlich vier fahre die Höhere Graphische Lehr und Versuchsanstalt besuchte "das war die einzige, wo ich noch aufgenommen werden konnte"  und anschließend die Akademie der Bildenden Künste. Einer seiner früheren Schulkameraden und Leidensgenossen war übrigens Manfred Deix, mit dem er auch nach so vielen fahren noch eine intensive Freundschaft pflegt. "Wir kommen beide aus derselben miserablen Situation, aus elendstem Hintlerweltlertum. Wir sind zusammen den steinigen Weg aus dieser Spießerhölle gegangen. Das verbindet."

Als Jugendlicher wollte Helnwein Revolutionsführer werden. Und hat sich geschworen, sobald wie möglich selbst Kinder zu bekommen, um ihnen eine Welt voller Freiheiten bieten zu können. Zwanzig, wie er sich gewünscht hat, sind es zwar nicht, aber immerhin vier  alles Künstler. Cyril (32) ist Fotograf, Mercedes (29) schreibt, malt und macht Videos, Ali Elvis (27) arbeitet als Komponist und Dirigent und hat 2006 das Traction Avenue Chamher Orchestra in Los Angeles gegründet und Wolfgang Amadeus (22) studiert in Irland und ist Schriftsteller. Gemanagt wird Helnwein von seiner Frau Renate. "Ursprünglich war sie psychatrische Krankenschwester. Das hilft ihr jetzt wahrscheinlich bei dem Zirkus, in dem sie da lebt."

Wie es dazu kam, dass sich bei Helnweins Werken alles um Schmerz, Verletzung, Gewalt dreht? Und warum ausgerechnet Kinder eine zentrale Rolle spielen? "lch bin drei Jahre nach dem Krieg geboren und war umgeben von lauter Nazis und Kriegsteilnehmern. Die Gesellschaft war voll mit Massenmördern. Friedrich Peter war vier Jahre SSMann in einer Liquidierungseinheit, Dr. Heinrich Gross hat 800 Kinder umgebracht, was für deren Karriere in der zweiten Republik keinerlei Hindernis dargestellt hat. Das Bewusstsein, dass die Generation meiner Eltern für den Holocaust verantwortlich war, hat mich geprägt. Das Thema Schmerz und Gewalt, vor allem gegen Kinder hat mich nicht mehr losgelassen und war der Hauptgrund, warum ich Künstler geworden bin." Dennoch fiel der mehrfache Preisträger ob der intensiven Beschäftigung mit dem Schrecken nicht in Depressionen. "Es ist die einzige Möglichkeit, sich dieser Thematik zu nähern und darauf zu reagieren. Kunst ist für mich eine Waffe, mit der ich mich wehren, mit der ich zurückschlagen kann."

Was Religion betrifft, lehnte der als Kind Getaufte die römischkatholische Kirche sehr bald ab und trat schließlich aus. Seine Ansichten von damals sind heute nicht mehr dieselben. Heute bekundet der Konfessionslose seinen großen Respekt gegenüber der katholischen Kirche. "Wir verdanken ihr allerdings die größte Kultur aller Zeiten. Ich hätte auch kein Problem wieder einzutreten, glaube aber, dass man als Künstler keiner Partei, keiner Ideologie und keiner Vereinigung angehören sollte."


Das einzige Glaubensbekenntnis, zu dem der ExilÖsterreicher offen steht, ist der "Donaldismus".   An den Moment, als der Fünfjährige sein erstes Micky Maus Heft bekam  zu einer Zeit, in der es nicht einmal Bilderbücher gab  kann sich der 61Jährige noch gut erinnern, denn es war seine Rettung. "Das Öffnen meines ersten Micky Maus Heftes war wie das Öffnen des Himmelstores  ich trat in die lichte Gegenwelt von Entenhausen." Von Donald Duck spricht Helnwein als "bedeutender Heiland". "Das Menschliche wurde durch ihn so sehr ausgedrückt wie in keinem anderen Kunstwerk. Die emotionalen Höhen und Tiefen, das Scheitern, das Klägliche, das Erbärmliche, aber auch das Liebenswerte am Menschlichen sieht man nirgendwo so sehr wie in der Gestalt Donalds. Mit dem konnte ich mich identifizieren."

Das gehasste Österreich verließ der Kinderfreund (von seiner vierjährigen Enkeltochter spricht er als Mittelpunkt seines Lebens) mit 37 Jahren. Zunächst lebte er mit seiner Familie in Deutschland, wo er sich ebenfalls völlig fremd und unverstanden fühlte, bevor er in Irland (in einem Schloss) und Los Angeles ein neues Zuhause fand. "In Amerika ist mir erst bewusst geworden, wie europäisch ich bin. Und so sehr ich mich immer dagegen gewehrt habe, ich bin zutiefst in der österreichischen Kultur verwurzelt Das wird sich nicht mehr ändern. Wo immer ich bin, ist Österreich." Trotzdem ist es nicht so, dass Helnwein Österreich jetzt umarmt und herzt. Soweit ist er noch nicht. Aber er arbeitet wieder öfters hier. Schoss für das ambitonierte "Wien Mitte"Projekt eine Fotostrecke, für die er bei Kälte und Regen tagelang im Gatsch über die Baustelle wanderte. Die Kinder, die er in Ministrantenkostüme und Enten Masken steckten, hatten ihren Spaß, erzählt er.

An Österreich vermisst er neben den Jahreszeiten ganz besonders den Wiener Dialekt. "Der wirklich ordinärste und niederste Wiener Dialekt ist die beste Sprache, die ich kenne." Ganz nach Hause wagt er sich aber  noch nicht: "Wien ist wunderbar, wenn man als Tourist herkommt. Ich sitze in Kaffeehäusern, alle sind freundlich zu mir und ich treffe so viele interessante Leute. Ich möchte dieses neue gute Verhältnis nicht zerstören."

 

 

DIE FAKTEN GOTTFRIED HELNWEIN
DER KÜNSTLER wurde am 8. Oktober 1948 als Sohn eines Postbeamten in Wien geboren. Er ist der älteste und einzig männliche von ursprünglich vier Geschwistern. Nach seinem Studium an der Höheren Graphischen Lehr und Versuchsanstalt sowie der Akademie der Bildenden Künste in Wien ging er für einige Jahre nach Deutschland, bevor er seinen Lebensmittelpunkt nach Irland und Los Angeles verlegte. Er zählt zu den bekanntesten und umstrittensten deutschsprachigen Künstlern und sorgte vor allem durch seine hyperrealistischen Bilder von verwundeten und bandagierten Kindern für Aufregung. Heinwein ist seit 32 Jahren mit Renate (56) verheiratet und hat vier Kinder. www.gottf riedhelnwein.at

Die Website von Gottfried Helnwein

Lesen Sie das gesamte Porträt in der aktuellen Ausgabe WIENER April 2010!




Text: Verena Eissner-Eissenstein / Fotos: Marco Rossi