helnwein österreich

Kölnische Rundschau – 7. November 1982

"photo art 1", Kunstverein, Köln, 1982

BILDER MIT WIDERHAKEN

von Bruno F. Schneider

Auf der "photo art 1" stellen 33 Fotogalerien im Kunstverein aus
Ruhepunkte in diesem Fotokaleidoskop bilden die One-Man-Shows.
Besonders erfrischend die "Galerie 70", die mit 800 Fotos des Wiener Künstlers Gottfried Helnwein angerückt ist und ihre Wände von oben bis unten damit ausgelegt hat.
Bisher nur durch seine realistisch-karikierende Malerei bekannt geworden, stellt Helnwein sich in Köln zum ersten Mal als Fotograf vor.

Die Euphorie eines Kunstmarkts, wie Köln sie 1970/71 erlebt hat, entwickelt sich, wenn auch zaghaft, zur Zeit wieder in den Räumen des Kölnischen Kunstvereins. Diesmal allerdings sind es 33 Fotogalerien aus dem In- und Ausland, die in "photo art 1" qualitativ beachtliche Programme vorstellen.

Dabei haben sie es in den engen Kojen durchaus nicht leicht, neben den weitläufigen Präsentationen der "Bilderschauen" in der benachbarten Kunsthalle zu bestehen. Viele haben sich daher entschlossen, dieser Herausforderung durch Spezialisierung zu begegnen. Und Manfred Heiting, Organisator des ideellen Teils der "photokina", der sich von diesem ersten Foto-Kunstmarkt zusätzlich Glanzlichter für das gesamte Unternehmen erhofft, scheint Recht zu behalten.

Natürlich findet man Namen wie Paul Outerbridge, Friedrich Seidenstücker, Robert Frank oder Eliot Porter, hüben wie drüben, und auch die dunkelhäutigen Akte von Robert Mappelthorpe der inzwischen die "documenta"-Weihen erhalten hat, locken von manchen Wänden. Die meisten Galerien aber setzen überzeugende Akzente.

Kalifornischer Stil
So stellt "Zeit-Foto" Tokyo japanische Fotografen der zwischen 1899 und 1950 geborenen Künstler vor, die alle in Japan studiert haben. Ihre Gemeinsamkeit liegt in einer subtilen Ästhetik, in der nichts mehr von traditionellen dekorativen Elementen aufgehoben ist.

So ist man geneigt, auch in den Arbeiten der sechs Fotografinnen aus Kalifornien Gemeinsamkeiten zu suchen. Sie werden ausgestellt von "The Friends of Photography" aus Carmel, USA, einer Organisation *pending*

Ausstellungen und Workshops organisiert. Ob Menschen, Landschaften oder Jo Ann Callis Stilleben aus Küche und Wohnzimmer, - eine kalifornische Fotografie gibt es sicher, eine weibliche läßt sich nicht heraussezieren.

Ruhepunkte in diesem Fotokaleidoskop bilden die One-Man-Shows. Besonders erfrischend die "Galerie 70", die mit 800 Fotos des Wiener Künstlers Gottfried Helnwein angerückt ist und ihre Wände von oben bis unten damit ausgelegt hat. Bisher nur durch seine realistisch-karikierende Malerei bekannt geworden, stellt Helnwein sich in Köln zum ersten Mal als Fotograf vor. Witzig und skurril läßt er seine Modelle mit Vorliebe grimassieren.

Und dann der Tscheche Jan Saudek. Seine Bilder haben Widerhaken, die im Gedächtnis bleiben, auch wenn man seine Mappe in der "Galerie voor Fotografie Paule Pia" aus Antwerpen nur flüchtig durchblättert. Er lebt in der Tschechoslowakei und seine Fotos entstehen fast nur in einem kleinen Keller. Es sind Akte, die durch Handkolorierung ihre morbide Delikatesse erhalten.

Koloristische Manipulationen finden sich auch in "Studio 666", Paris, bei den Bildern von Bruno Stevens aus den langsam aussterbenden Persiflagen einer historischen, gelackten Neon-Sentimentalität. Dazu stehen die surrealistischen Fotos von Don Drahos durchaus nicht im Widerspruch; schwarz-weiße Fotos von lebensgroßen, aus zerknittertem Papier scheinbar flüchtig zusammengedrückten Figuren. Das einzige Beispiel von "arte povera" in dieser Ausstellung.

Surrealistisches dagegen ist konzentriert in der "Robert Freidus Gallery" New York zu finden, die junge amerikanische Fotografen zeigt. Hier fällt vor allem Robert Fichter auf *pending* Visionen mit Fischen und Skeletten beschwört.

Auch die beiden Kölner Galerien haben sich spezialisiert: "Galerie Rudolf Kicken" auf Josef Sudek und Jaroslav Rössler, beides stilgeschichtlich bedeutende Fotografen aus der Tschechoslowakei und die "Galerie Wilde" auf das Thema Porträtfotografie von 1925 bis 1982, wobei der Kölner Fotograf August Sander nicht fehlen darf und die Gegenwart mit sehr aktuellen und lebendigen Fotos von Gabriele und Helmut Nothhelfer vertreten ist.

Gelungene Premiere
Einen fast genialen Kompromiß zwischen Vielfalt und Profilierung scheinen die "Benteler Galleries" aus Houston USA gefunden zu haben, indem sie täglich wechselnde One-Man-Shows mit berühmten Fotografen wie Andre Gelpke und Fritz Henle veranstalten wollen.

Wen es aber zurückzieht zu den Anfängen der Fotografie, der ist gut aufgehoben in der Koje der "Fotogalerie Dröscher", Hamburg. Dort findet er reichlich Anschauungsmaterial an Daguerreotypien der Mitte des vorigen Jahrhunderts und anderen alten Techniken und deren heute noch faszinierenden Ergebnissen.

Sieben Fotogalerien aus der Bundesrepublik, 13 aus den USA, fünf aus Frankreich, drei aus den Niederlanden und je eine aus Belgien, Italien, Japan, Österreich, Schweden - das ist für den ersten Anlauf keine schlechte Bilanz und neben der Bilderschau sicher die wichtigste Begleitaktion zur "photokina".

Ob "photokina" und Köln diesen neuen Kunstmarkt an sich fesseln können, wird nicht zuletzt vom Umsatz abhängen.

07.Nov.1982 Kölnische Rundschau Bruno F. Schneider

http://www.gottfried-helnwein-interview.com/